Die Beckmann-Station in Leipzig ist kunstgeschichtlich gewiss die einträglichste der drei Ausstellungen. „Von Angesicht zu Angesicht“ sind auch die Defizite am besten zu ertragen, denn man geht direkt auf die realen Personen zu, die der Maler porträtiert oder in seine vielfigurigen Bilder einmontiert hat.
Die Genauigkeit, mit der die Personen, die auf den Bildern auftauchen, im Katalog in ein Lexikon gesammelt werden, bringt den größeren Gewinn als die konkurrierenden Beckmann-Unternehmungen in Basel und Frankfurt am Main aufweisen.
Die, andersherum, sind effektvoller konturiert, „Landschaft“, „Amerika“. Sie setzen populärere Marker in die Öffentlichkeit. Der Unterschied ist mehr als eine Tendenz: Die süd-westlichen Museen organisieren Events, im ärmeren Osten wird Forschung präsentiert.
In Basel und Frankfurt konnte man die besseren Bilder sehen, drei, vier mal mehr davon als in Leipzig. Der Unterschied einen ganz banalen Grund: Das Frankfurter Städel und das Basler Kunstmuseum sind von ganz anderer Potenz, sie haben die teueren und besseren Bilder bekommen, die nun einmal die späteren sind.
Freilich ist das Solide der Leipziger Ausstellung, das überregional bemerkt wurde, auch ihr Handicap. Denn wenn Beckmann im Angebot ist, möchte man sich nicht allzu lange bei seinem Jugendwerk aufhalten.
Wenn aber „Von Angesicht zu Angesicht“ die Personen lexikalisch erfasst werden, die in Beckmanns Werken auftauchen, muss das den Jahren nach umfangreiche Frühwerk ebenso genau erfasst werden wie die danach gemalten vermutlich wichtigeren Bilder. Außerdem: es ist doch ehrlich gesagt egal, ob dort Minna gemalt ist oder Quappi.
Gleichwohl macht es Freude und belehrt, zwischen Früh- und Hauptwerk zu pendeln. Im Vor- und Rücksprung erschließen sich viele formale und inhaltliche Details und Entwicklungsgänge. Man sieht anders auf die bombastische „Schlacht“ (von 1907) und die in der Mittelachse gespannte Nervosität manchen Porträts der zehner Jahre, wenn man die fahlen „Angeklagten“ (1916) oder das berühmte Selbstbildnis mit rotem Schal von 1917 eben gerade hat auf sich wirken lassen.
Und wenn, wie bei mir, seit der letzten ausgiebigen Beschäftigung mit Beckmann 20 Jahre vergangen sind, hat man sich selbst genügend verändert und bemerkt Verschiebungen: Die Nervosität, die Gefährdung in den frühen Porträts habe ich früher gering geschätzt oder hinter der scheinbar salonfähigen Malerei übersehen.
Der Erste Weltkrieg hat diesen Künstler bis zur Lebenskrise erschüttert. Die „gotischen“ Bilder danach, in Leipzig stilistisch nur zu ahnen beziehungsweise als Grafik, sind voller Schmerz. Sein knubbliger, fleckiger Stil um 1920 hält ihn nur kurz. Er klärt seine Bilder wieder, lässt das gewisse Teigige hinter sich, wird konturierter, aber breiter, verfestigt abermals in die Stabilität und kurz nach 1925 ist der Beckmann fertig.
Die „Fastnacht“, das „Familienbild“ (beide 1920), das „Selbstbildnis als Clown“ (1921) und diverse Porträts führen in Leipzig den Weg entlang. Mit dem kleinen „Weiblichen Akt mit Hund“ ist 1927 ist alles erarbeitet, was den Maler singulär macht…
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