Max Beckmann 2011, I : Alle Hoffnung gilt dem Städel

Jetzt ist die Trias der diesjährigen Max-Beckmann-Ausstellungen vollendet. Seit gestern läuft in Frankfurt „Beckmann & Amerika“. Sie ist mit 40 Bildern, insgesamt etwa 100 Werken, ähnlich dimensioniert wie Leipzig. In Basel sind mehr Bilder zu sehen (70), grandiose Werke im Meterformat, mehrere fast unbekannte aus Privatbeseitz, aber eben „nur“ Landschaften. Nur in Leipzig schreitet die Ausstellung die gesamte Biographie ab. Frankfurt hat zum wunderbaren eigenen Bestand zwei Triptychen aus New York bekommen, und 40 sind die Hälfte dessen, was Beckmann in seinen drei amerikanischen Jahren von 1947-1950 gemalt hat.

So viel Max Beckmann war wirklich lange nicht. Ein toller Herbst auch für Hatje-Cantz, wo alle drei Kataloge erscheinen. Frappant ist der Unterschied schon zwischen Leipzig und Basel. Die Schweizer machen ein Bilderblätterbuch. Sie stellen zu den Werken kurze Texte über die jeweiligen Etappen Weimar-Frankfurt/Main-Berlin-Amsterdam-New York. Dazu kommen nur drei kurze, recht blasse Artikel. Hans Belting erweitert lediglich eine Passage über die Landschaften aus seinem 1984er Büchlein „Max Beckmann. Die Tradition als Problem der Kunst in der Moderne“. Es ist systematisch, wie unterschiedlich die Perspektiven auf Max Beckmann waren oder sind. Im Osten war er erst in den 1980er Jahren selbstverständlich. Für die westliche Moderne war der gegenständliche Maler ebenso ein Problem, siehe Hans Beltings Untertitel. Sie wollten ihn, sie mussten akzeptieren, dass er ein grandioses zeitgenössisches Werk erschuf, konnten ihn aber theoretisch nicht verknusen. Der Widerspruch ist trotz Post-Moderne nicht aufgelöst, nur besänftigt.

Im Gegensatz zu Basel steckt im Leipziger Katalog zwar weniger Kunst – das Gewicht der Frühwerke in der Ausstellung macht sich bemerkbar –,  aber viel mehr Arbeit und neue Forschung. Es gibt eine griffige Einzelanalyse (Olaf Peters), ein von bewährter Kompetenz erstelltes biographisches Lexikon aller in den Bildern erkannten Personen (Felix Billeter, Christiane Zeiller) und die strikt vorgetragene These, Beckmann habe in seine Amsterdamer Triptychen die Köpfe von Widerstandskämpfern eingearbeitet (Christian Fuhrmeister, Susanne Kienlechner). Das ist abenteuerlich im positiven wie negativen Sinn: positiv, weil einige Identifizierte wirklich den gemalten Köpfen ähneln, weil er im Frühwerk ebenfalls Porträts in mythologischen, christologischen Bildern benutzt hat, weil es die Bilder zeitgenössisch schärfen würde, wie man dem vorsichtigen Beckmann gar nicht zutrauen möchte. Negativ eben deshalb – das raunende, geheimnisvolle Werk der irrenden Seele bekäme eine argumentativ allzu präzise Schlagseite in der Gegenwart, es würde „langweiliger“; und einige Identifizierungen erscheinen visuell-formal zweifelhaft. Wenn auch bedenklich, so ist diese These zu bedenken, zumal einige Zuordnungen, ich wiederhole, wirklich frappant sind und man sogar nachvollziehen kann, wie die Autoren die Beckmannschen stilistischen Verformungen der Köpfe einkalkuliert haben.

Ansonsten war die Beckmann-Renaissance in Basel und Leipzig recht ernüchternd. Sie setzt die Tendenz der letzten Jahre fort, Max Beckmanns Kunst von seiner zwar theosophisch spinnerten, aber dadurch ahnungs-geheimnisvoll poetischen Weltanschauung zu trennen. Vielleicht kann Frankfurt etwas wett machen, dahingehend relevante Bilder sind dabei. In Basel und Leipzig aber wird dem Max Beckmann der „Wille zur Transzendenz“, in der er die Lösung in Welt und Kunst sah, ausgetrieben. Die Beckmann-Forschung hat sich meiner Kenntnis nach zuletzt in den 80er Jahren seriös mit Friedhelm Wilhelm Fischers Buch über die theosophischen Hintergründe in Beckmanns Werk beschäftigt. Seitdem wird es nur alibihaft zitiert oder gleich ganz verworfen. Gewiss hatte Fischer oft übertrieben. Er sah die gnostischen Welten, die orientalischen und indischen Götter konkret in Beckmanns Bildern, interpretierte die Bilder als zuweilen direkte Illustrationen des theosophischen Weltbildes. Es war nachfolgenden Autoren leicht, das zurückzuweisen. Es gibt Dissertationen über Max Beckmann, denen man ansieht, dass ihre Verfasser dieses Buch gar nicht gelesen haben, das sie brav in der Literaturliste führen. Zwar hat Thomas Noll es 2006 in den Heften der Beckmann-Gesellschaft gründlich rehabilitiert, aber das hatte bislang offenbar noch keine Folgen. (Darüber in Kürze mehr.)

Die Bilder sind die Bilder und die Hauptsache. Wer aber genau sein möchte, für den gab es bisher in Basel und Leipzig nur Beckmann light. Alle Hoffnung gilt nun dem Städel. (leicht verändert 11.10.11)

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