Eine Stadt verlernt, ins Theater zu gehen

Merkwürdige Klarstellungen sind manchmal nötig. Ich erhielt Kenntnis von einem siebenseitigen Brief aus dem Centraltheater an den Kreuzer, meinen Artikel im Juniheft dieses Stadtmagazins betreffend. In dem Brief stehen viele zweifelnde Fragen, er ist vom Intendanten und mehreren seiner Leitungsgefährten unterschrieben, ein regelrechter Aufmarsch. Grundsätzlich wird darin bestritten, dass es angebracht ist, jemanden über das Centraltheater schreiben zu lassen, der sich vordem schon kritisch darüber verbreitet hat (zum Beispiel hier). Also in Zukunft, liebe Kollegen Redakteure: immer nur jemanden engagieren, der noch nie oder bis dahin nur gut über das Theater geschrieben hat. Außerdem wäre ich doch ein Intimus dieses Herrn Faber, der dem Centraltheater und insbesondere Herrn Hartmann nicht wohl gesonnen sei. Ergo sei doch klar, wie ich zu welcher Meinung komme.

Da ich diesen Verdacht der allzu großen Nähe seit einem Artikel über den Kulturbürgermeister wiederholt hörte, ganz deutlich:

Mit Michael Faber bin ich zwar sehr lange und gut bekannt, habe ihn aber in den letzten 20 Jahren genau zwei Mal privat getroffen. Einmal zwei Stunden bei einem Geburtstag eines gemeinsamen Freundes, das zweite Mal auf der Treppe in der Moritzbastei bei einem Jubiläum dieses Klubs. Dazu kommen fünf, sechs berufliche Verabredungen, die Hälfte länger her, den Verlag Faber & Faber betreffend. Mein Artikel vor Michael Fabers eventueller Abwahl als Kulturbürgermeister, damals noch in der Leipziger Volkszeitung, war kein Freundschaftsdienst, sondern reagierte auf die öffentliche Demontage dieser Person und eine perfide Demagogie, mit der es geschah.

Ich schreibe nicht über die bedenkliche Tatsache, dass eine Stadt verlernt, ins Theater zu gehen, weil ich ein Intimus von Michael Faber wäre, sondern weil mir Sorgen bereitet, dass vor fünf, sechs Jahren, in wirtschaftlich schwererer Zeit, mit mehr Arbeitslosigkeit, bei höheren Kartenpreisen und mehr Sorglosigkeit in der Welt immerhin etwa 115 000 Leute jährlich ins Leipziger Theater gingen, und heute, realistisch betrachtet, etwa ein Drittel davon. Ich erinnere daran, dass der vormalige städtische Abgeordnete Morlock, FDP, momentan Wirschaftsminister des Freistaates Sachsen, dieses Theater schließen lassen wollte, als es noch relativ gut besucht wurde. Ich mag Schauspiel als Kunst; du drehst dich um, und sie ist weg, weil ein paar Leute …

Wenn ich Artikel schreibe, die dem einen zu nutzen scheinen und dem anderen zu schaden, dann vor allem deshalb, weil der öffentliche Status quo der jeweiligen Angelegenheit so vergiftet, so verlogen ist, dass mir eine Korrektur überfällig und von vielen Lesern sehr erwünscht erscheint. Freundlicherweise beweist das Echo jeweils, dass diese Annahme in den beiden genannten Fällen richtig war.

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