Rom ist vollumfänglich chancenlos

Jetzt werden wieder wochenlang strupplige Nordmanntannen und andere weihnachtliche Ruinen an den Straßenrändern liegen und ich werde mich wundern, warum nicht unternehmungslustige Jungs sie anzünden. Der Hauptverband der Deutschen Holzindustrie meldete kurz vor Weihnachten, dass voraussichtlich 29,1 Millionen Exemplare verkauft werden würden, mehr und mehr für Balkons, Terrassen und Vorgärten. „Der Hang zum Zweitbaum ist geblieben“, zitiert das Hamburger Abendblatt eine Sprecherin des Verbandes.

Weihnachten war lichter denn je. Die Kirche monierte über das gewohnte Maß hinaus das Weihnachten der Geschenke und des Materialismus – ein Wort des Bösen, das sich im Munde dieses rational wirkenden Papstes kurios anhört. Die Kritik einiger der ihm unterstellten Kollegen, aber auch abtrünniger Christen, ging freilich weiter.

In adventlichen Gottesdiensten sollen tatsächlich Weihnachtsbäume zersägt worden sein, als handgreifliche Austreibung der heidnischen Gebräuche vor dem heiligen Feste. Aus Rom war vorher die Bekundung gekommen, dass man den Heiligen Nikolaus zukünftig wieder deutlicher bewerben wolle, um jenem Ungeist mit dem Weihnachtsmann Einhalt zu gebieten.

Das passt, darf gesagt sein, zu diesem Pontifikat, und macht kulturhistorisch hellhörig, weil es einige Jahrhunderte immer mal Widerstand gegen den Tannenbaum in der alten Kirche gegeben hat, ja die Evangelische sogar als „Tannenbaum-Religion“ zu denunzieren versucht wurde.

Die Reformation hatte Weihnachten umgekehrt programmatisch und gegen den Heiligenkult betrieben: Ist es nicht Aberglaube, wenn dieser sogenannte heilige Nikolaus die Geschenke bringt? Nun also ist das Christkind selbst das/der Gute. Die Moderne freilich säkularisiert alles: Weihnachten ist Bart und Mütze, Baum, freie Tage und Geschenke; wer ist geborn? Ach, ist doch egal, wie das Kind heißt.

Tatsächlich funktioniert Weihnachten schon sehr lange und blendend ohne auch nur einen christlichen Gedanken. Ich bin so aufgewachsen und hatte viel Freude dabei. Man hat nun in unserem nur halb laizistischen Lande – mit dem schönen juristischen Wort der „hinkenden Trennung“ zwischen Kirche und Staat – vor lauter schlechtem Gewissen gegenüber dem Christentum leider unterlassen zu fragen, was dieses Fest seit vielen Jahren eigentlich ausmache.

Als Atheist feiert man Weihnachen in diesem Staate als hinkender Bürger. Wenn die Mehrheit hinkt, ist das egal, aber bleibt verlogen. Als Kulturhistoriker feiert man natürlich nebenher auch christlich, ist doch irre, was die Geschichte alles so bereithält. Gewiss muss man unterscheiden: Weihnachten bedeutet für Kinder mehr als für Erwachsene.

Längst jedenfalls hat sich in diesem Falle gerächt, dass das Christentum sich auf die heidnischen Kulte draufgesetzt hat. Ist es nicht wunderbar, dass nun die Tage wieder länger werden? Mir gefällt zu Weihnachten auch die antike Idee der Halkyonischen Tage, einer Auszeit von sieben windstillen Tagen um die Tag- und Nachtgleiche herum.

Doch im Grunde braucht dafür niemand einen Christus, genauso gut dürfte man sich, um dieses Fest vom bösen Kommerz zu bereinigen, auf Mithras berufen, freilich ist der nicht nur zeitlich weiter entfernt, manche sagen: leider.

Natürlich muss man der zivilisatorischen Leistung des Christentums danken, die zu diesem schönen Fest geführt hat – nach Odin sähe es anders aus. Der christliche Text ist aber längst Zutat, kein Kern mehr. Übrigens kamen früher auch viel mehr „Bibelfilme“ im Fernsehen.

Immerhin scheinen die Rückzugsgefechte der Christen wieder etwas engagierter, das belebt. In diesem Jahr war besonders hübsch, wie die freche Werbekampagne  des Mediamarkts, „Weihnachten wird unter dem Baum entschieden!“, eine geradezu spektakuläre Gegenbewegung im sogenannten sozialen Netzwerk und in den Medien erzeugte. Trotzig heißt es: „Weihnachten wird in der Krippe entschieden“.

Ein empörter Katholik (Kreis Breisgau/Hochschwarzwald) rief zum Boykott der Handelskette auf. Die Fronde gegen Mediamarkt war selbstverständlich überkonfessionell: Die Reinheit des Tempels Weihnachten muss verteidigt werden. Der übliche Popanz.

Mit Aufklärung und Moderne ist außerdem der heidnische Lichter-Baum ein viel besseres Symbol für Weihnachten geworden als die Krippe. Und dann auch noch das Geheimnis des gestrengen Weihnachtsmannes! Die geradezu ritualhaften familiären Prozeduren zu Weihnachten haben ganz eigene Kulturen entwickelt. Viele gehen an diesem Tage tatsächlich noch einmal in die Kirche, einmal im Jahr, als Erinnerung. Die Kirche verliert dennoch vollumfänglich, um es mit Mediamarkt zu sagen.

Die Reaktion der Händler auf die Angriffe war pikant, sowohl stilistisch als auch semantisch: „Uns ist bewusst, dass unsere Spots nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Gesamtereignis des Weihnachtsabends zeigen und wir den eigentlichen Anlass des Weihnachtsfestes, die frohe Botschaft von Jesu Geburt, nicht vollumfänglich darstellen können.“

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